08 Mär. 2017

„Der Videobeweis würde den Fußball verändern“

 


Heidelbergs Schiedsrichter-Chef Hans-Dieter Krieg sieht die geplante Neuerung skeptisch – Über zehn Minuten Nachspielzeit?

(ts)Quelle:RNZ v. 08. März 2017 Von Wolfgang Brück

 

Hansi-Dieter Krieg ist ein Mann von der Basis. Der 47-jährige Druckermeister aus Leimen ist seit über drei Jahrzehnten Schiedsrichter, hat Oberliga gepfiffen und ist seit zehn Jahren Chef der Heidelberger Unparteiischen. Lesen Sie im nachstehenden Interview, wie Hansi Krieg die Neuerung sieht, die den Fußball entscheidend verändern könnte.

Hansi Krieg, DFB-Vize Ronny Zimmermann ist überzeugt davon, dass mit dem Videobeweis der Fußball gerechter wird.

Das würde ich mir auch wünschen. Doch ich bin noch skeptisch.

Warum?

Nehmen wir das Tor von Lars Stindl, durch das Borussia Mönchengladbach in Ingolstadt gewonnen hat. War es Handspiel oder nicht?

Was meinen Sie?

Ich meine, dass es Interpretationssache ist. Auch nach der fünften Zeitlupen-Wiederholung. Manche Dinge sind nicht messbar. Auch vor den Monitoren sitzen Menschen mit unterschiedlichen Wahrnehmungen. Außerdem könnte ein weiteres Problem entstehen.

Welches?

Wenn in einem Spiel mehrere strittige Situationen zu bewerten sind, wird demnächst zehn Minuten oder noch länger nachgespielt werden. Oder aber man hält, wie in anderen Sportarten, die Uhr an. Auch das würde den Fußball verändern.

Es gibt die Befürchtung, dass Entscheidungen, die am Bildschirm getroffen werden, für die Zuschauer nicht mehr nachvollziehbar sind.

Die Gefahr sehe ich auch. Mal angenommen, einem Tor wird die Anerkennung versagt, weil der Balleroberung in der eigenen Hälfte ein kleines Foul vorausgegangen ist. Wie will man das den Leuten erklären. Noch komplizierter wird es, wenn zwischenzeitlich der Gegner noch mal kurz am Ball war. Handelt es sich dann um eine neue Spielsituation oder nicht?

Der Zuschauer vor dem Fernseher wird gegenüber dem Fan im Stadion im Vorteil sein.

Das sehe ich auch so. Im Sinne des Fußballs ist das nicht.

Ronny Zimmermann ist der Meinung, dass der Video-Assistent die Autorität des Schiedsrichters nicht untergraben wird, sondern durch die Hilfestellung gestärkt wird.

Auf jeden Fall wird es die Tätigkeit des Schiedsrichters verändern. Da bin ich sehr gespannt darauf. Ich könnte mir vorstellen, dass Schiedsrichter erst mal abwarten, was von außen kommt, bevor sie pfeifen.

Sie sind demnach gegen den Video-Beweis?

So eindeutig würde ich es nicht sagen. Warten wir mal ab, was die Testphase bringt. Ich kann aus meiner langjährigen Erfahrung nur sagen, dass sich über die Saison gesehen Benachteiligung und Bevorzugung ausgleichen. Nehmen wir das Beispiel Sandhausen: Dem Tor bei der 0:1-Niederlage gegen Braunschweig ging ein Foul voraus, doch im Heimspiel davor gegen Aue hätte man einen Elfmeter gegen Sandhausen pfeifen können. Wer weiß, ob es dann zum 2:0-Sieg gekommen wäre. Und denken Sie auch an die Diskussionen, die wir heute über Elfmeter, Platzverweise und Tore führen. Auf die will ich nicht verzichten.

 

Hans-Dieter Krieg. Foto: vaf

Hans-Dieter Krieg. Foto: Streu