27 Jan. 2018

Mir blutet das Herz

 

Aufstieg und Fall des FC Fortuna Schatthausen – Wie König Fußball im Amateurbereich das Zepter zu entgleiten droht

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung 26.01.2018 Von Wolfgang Brück

(ts)Heidelberg. Tom Weckesser hatte Großes vor. Der 58-jährige Unternehmer aus Wiesloch wollte mit seinem FC Fortuna Schatthausen, bei dem er seit über einem halben Jahrhundert Mitglied ist, nach oben. Bis in die Landesliga. Mindestens.

Doch dann starb sein Freund Jo Laier, und der Ärger begann. Mit dem neuen Vorstand kam Weckesser nicht zurecht. Man trennte sich. Außer dem Sponsor verließ nahezu die komplette Mannschaft den Kreisligisten.

Wenn Weckesser jetzt am Sportplatz vorbeifährt, den man ihm zu Ehren auch schon mal „E&D-Arena“ nannte, tut es ihm jedes Mal weh. Er sagt: „Mir blutet das Herz.“ Denn Fußball gespielt wird in Schatthausen zumindest vorerst nicht mehr. Der Verein hat seine Mannschaft, die mit Baiertal eine Spielgemeinschaft bildete, offiziell abgemeldet. Sie war Letzter in der Kreisklasse A. Mit nur drei Punkten und einem Torverhältnis von 17:86.

„Ich wollte meinem Verein doch nur Gutes tun“, bedauert Weckesser, der wegen seiner Liebe zu Schalke den Spitznamen „Assauer“ hat. Der Chef von E&D-Druckfolien und Etiketten hat sich das Engagement etwas kosten lassen. Zahlen mag er nicht nennen, aber der Wert eines VW Golf könnte schon zusammen gekommen sein, lässt er sich entlocken.

Für Johannes Kolmer ist die Entwicklung in der Heimatgemeinde seines Vorgängers Alfred Lampert nicht überraschend. Der Vorsitzende des Fußballkreises Heidelberg warnt: „Vereine, die auf einen Mann setzen, gehen ein hohes Risiko.“ Der 62-jährige Leiter des Polizeireviers in Neckargemünd empfiehlt, den Unterbau, die zweite Mannschaft und die Jugend, nicht zu vernachlässigen. Sonst droht, alles zusammen zu brechen, wenn der Geldgeber den Hahn zudreht.

So war es auch bei der SG Wiesenbach. Dort gingen die Lichter aus, als sich Mäzen Volker Grill mit dem Vorstand überwarf. König Fußball regiert längst nicht mehr so uneingeschränkt wie früher. Schatthausen/Baiertal ist bereits die vierte Mannschaft in der laufenden Runde, die das Handtuch werfen muss, wie Staffelleiter Frank Wolf bestätigt. Zuvor mussten die TSG Wilhelmsfeld sowie die Spielgemeinschaften Mittleres Neckartal und Dielheim/Wiesloch aufgeben.

Damit erfüllt sich die düstere Prophezeiung von Christoph Ruf. Der Autor des empfehlenswerten Buches „Fieberwahn“, in dem es um die überbordende Kommerzialisierung des Profifußballs und das Schattendasein der Amateure geht, kommt zu dem Schluss: „Immer mehr Vereine können sich nur noch mit Spielgemeinschaften über Wasser halten, oder sie verschwinden ganz.“ Auf die Qualität des Spitzenfußballs habe das zwar keinen Einfluss, glaubt Ruf. Doch: Wenn Sportplätze verwaisen, würde die gesellschaftliche Bedeutung des Volkssports Nummer eins Schaden nehmen. Sicher ist, es ist schwerer geworden, Menschen für Ehrenämter zu begeistern. Für viele Spieler dreht sich nicht mehr alles nur um den Fußball, wie das früher war.

Aber es gibt Lichtblicke. In Wilhelmsfeld soll es im Sommer dank des tatkräftigen Klaus Höhr nach einjähriger Pause weitergehen. In Wiesenbach haben Helmut Hafner und seine Mitstreiter den ehemaligen Landesligisten wiederbelebt und einen Neustart in der Kreisklasse C gewagt.

Auch der FC Fortuna Schatthausen plant ein Comeback. „Wir kommen wieder“, verspricht Ingo Jahnke, „zur neuen Runde werden wir mit einer jungen Mannschaft in der B-Klasse antreten.“ Der 43-jährige Banker, der vor knapp drei Jahren den Vorsitz übernahm, um den Klub aus Turbulenzen in ein ruhigeres Fahrwasser zu führen, erklärt: „Wir wollen beweisen, dass wir immer einmal mehr aufstehen als wir hinfallen.“ Die Spielgemeinschaft mit Baiertal, die beim Nachwuchs schon einige Jahre geht, erweist sich als Segen. „Trainer wie Jochen Schuppe oder Daniel Lukic sind Sympathieträger. Sie schaffen es, dass die Jungen bei der Stange bleiben“, lobt Spielervater Bernd Keller.

Die A-Jugend ist Sechster in der Landesliga und hat sich gerade mit zwei Mannschaften für die Futsal-Kreismeisterschaften am ersten Februar-Wochenende in Eberbach qualifiziert hat. Sie soll in der kommenden Saison gemeinsam mit dem halben Dutzend verbliebener Spieler das neue Team bilden. Trainer soll Daniel Lukic werden, die Kreisliga-Mannschaft der Spielvereinigung Baiertal wird von Jochen Schuppe trainiert. Das sind gute Voraussetzungen. Ein erstes Ausrufezeichen haben die Jungen schon gesetzt: Vor ein paar Wochen feierten sie mit 4:2 über den SV Waldhilsbach überraschend den einzigen Saisonsieg, nachdem es zuvor – gegen Rettigheim und Heiligkreuzsteinach – mit 1:10 und 1:15 Klatschen gegeben hatte.
Boss Ingo Jahnke ist guter Hoffnung: „Ich bin sicher, dass wir an dieser Mannschaft noch viel Freude haben werden.“

 

Tom Weckesser (rechts) wollte mit Schatthausen hoch hinaus, der neue Chef Ingo Jahnke will einmal mehr aufstehen, als man hinfällt. Fotos: Pfeifer